Georgien und eine schwere Entscheidung

Noch über Tage muss ich an das türkische Frühstück zurückdenken. Manchmal wünsche ich mir, dieses hätte es nie gegeben, dann würden mich jetzt nicht diese Gedanken an gebratene Wurst oder karamellisierten Nussaufstrich plagen. Insgesamt sollen es elf Tage werden, an denen ich Nudeln essen werde und als ich dann am zwölften Tag eine Packung Reis ergattern kann, sind doch, wen wundert es noch, ein beträchtlicher Teil des Inhalts auch Nudeln.

Aber natürlich gibt es Berichtendswerteres als meine kläglichen kulinarischen Wünsche und Enttäuschungen. Meine neue Trekkingroute führt mich fast bis an die Grenze. Eigentlich muss ich bis dort, wo sie losgehen soll, nur 40km überwinden und hoffe, schon einen guten Teil des Trekkings noch am selben Tag absolvieren zu können, doch es kommt anders. Aus dem Tal, in dem ich übernachtet habe, bekomme ich keine Mitfahrgelegenheit, und so beginnt der Tag mit einem 12 Kilometer langen Marsch über die Teerstraße und auch für die restlichen knapp 30 km brauche ich noch weitere 4 Stunden in einer Mischung aus Laufen, Trampen und Warten. Als ich dann endlich ankomme, brütet die volle Mittagshitze in den Tälern. Wenn ich nicht hoch oben in den Bergen bin oder schlechtes Wetter herrscht, sind die Temperaturen dem Breitengrad entsprechend und dieser ist nun mal der selbe auf dem beispielsweise auch Rom liegt. Meine Lebensmittelreserven sind mal wieder ziemlich kärglich, da ich in den letzten vier Ortschaften keinen einzigen Supermarkt habe ausfindig machen können und so noch einen gewissen Teil der Strecke schaffen muss, damit mir die Nahrungsmittel in den nächsten Tagen nicht gänzlich ausgehen. Mir bleibt nichts anderes übrig, als in den sauren Apfel zu beißen und den ganzen restlichen Tag bei 30 Grad bis es abends zumindest ein wenig kühler wird, die Bergflanke aufwärts zu steigen. Natürlich komme ich dabei nur im Schneckentempo voran. Der Wald hier ist eigentlich wunderschön, wird aber leider zunehmend abgeholzt. Auch wenn in Georgien noch viele Primärwälder erhalten geblieben sind, weit mehr als zum Beispiel in Ost Europa, lernen die Einheimischen diese Einnahmequelle jetzt leider auch nutzen. Das Heulen der Motorsägen verkündet wie ein 500 Jahre alter Baum nach dem nächsten dem Wald entrissen wird und für immer verloren geht. Um 6:00 Uhr abends gebe ich dann schließlich völlig erschöpft auf und bleibe an Ort und Stelle um mein Zelt aufzubauen. Die üblichen 350g Nudeln reichen mir heute Abend nicht, aber mehr gibt es einfach nicht mehr. Doch eigentlich ist mein Zeltplatz wunderschön. Die Aussicht geht weit über das tief eingeschnittenen Tal bis nach Mestia und die doppelgipflige  Pyramide des Ushba, die Bergikone schlechthin im Kaukasus, wie auch auf die vergletscherten 5000er am

Horizont unter denen ich die letzten Tage entlanggewandert bin. Jene Strecke für die ich zu Fuß ganze vier Tage benötigt habe, wirkt aus der Entfernung wie ein Katzensprung. Je größer die Berge sind, desto mehr wird man sich als Mensch seiner zu Unbedeutsamkeit bewusst.

Mitten in der Nacht erwache ich, ohne zunächst zu wissen warum. Mit noch geschlossenen Augenliedern nehme ich einen Lichtstrahl auf dem Zelt war. Zuerst denke ich, es wären Taschenlampen und ungute Erinnerungen an das kirgisisch kasachische Grenzgebiet kommen hoch, doch bald merke ich, was für eine enorme Spannung in der Luft liegt. Das Licht kommt nicht von Lampen, sondern von Blitzen, die alles im Sekundentakt erleuchten. Ein heftiges Gewitter entlädt sich nicht weit von hier. In dieses möchte ich nicht geraten, so exponiert wie mein Schlafplatz ist, und sofort überlege ich, ob ich mein Zelt abbauen muss. Gewitter  im  Kaukasus sind gänzlich anders als jene, die wir aus Mitteleuropa kennen. Sie sind oft viel kleiner, messen im Durchmesser vielleicht nur 5 km und ziehen schnell vorüber, aber entladen sich dafür umso gewaltiger. Ausnahmsweise habe ich tatsächlich schwaches Internet und kann so mittels des Regenradars feststellen, dass das Unwetter glücklicherweise knapp nördlich an mir vorbeizieht und ich beruhigt weiter schlafen kann.

Noch deutlich vor Sonnenaufgang bin ich auf den Beinen und steige weiter in  Richtung des Passes. Heute Nachmittag soll es schlechtes Wetter geben und auch wenn das noch lange hin ist, geben mir doch die sich zusammen ballenden Wolkentürme zu denken. Im fahlen Morgenlicht strahlen die Berge, um dann entweder im Dunst oder den Schatten dunkler Wolken wenig später zu verschwinden. Gejagt  von einem ganzen Schwarm stechwütiger Mücken beeile ich mich, so sehr ich kann. Auch hier blühen unzählige Blumen, vor allem die ganzen Felder von Orchideen stechen hervor. Kurz unter den Pass finde ich den so angepriesen sich noch unter Schnee befindenden See, er ist aber eher ein flacher Tümpel. Auf dem Pass selbst ist es kalt und windig. Ich mache mich auf schlechtes Wetter gefasst und beginne den Abstieg, der mit einigen Gegenanstiegen gewürzt ist. Weiter unten treffe ich auf ganze Wäldchen von blühenden Rhododendron, die , wenn mal ein Sonnenstrahl hervorbricht, in hellem Weiß erstrahlen.

Endlose Flächen von Akelei erstrecken sich hier auf dem Berghang, ihre großen violetten Blüten wogen in der leichten Brise. Eine solche dichte Konzentration von Bergblumen in voller Blüte ist mir nur selten begegnet und hier im Kaukasus besonders aber am Utrivi Pass einmalig.

Meine Lebensmittelvorräte sind gänzlich aufgebraucht und so kann ich es kaum erwarten das Tal 2000 Höhenmeter tiefer zu erreichen, obwohl ich weiß, dass mich dort nur Hitze und staubige Ortschaften erwarten, doch die Hoffnung auf eine gute Mahlzeit habe ich noch nicht vollständig aufgegeben. Auch auf dieser Seite sind die Wälder von riesigen uralten Weißtannen geprägt und so wild und undurchdringlich, wie es in Europa nur noch selten der Fall ist. Auf der anderen Seite des Tals bildet der Kamm die Grenze zu Abchasien jenen Teil Georgiens der 2008 von Russland annektiert wurde. Für Ausländer ist es verboten, dorthin zu gehen und selbst die Georgier meiden diese Provinzen, berichten mir aber, dass sie quasi ein zollfreier und steuerfreier Raum für den Import und Export von Waren aus und nach Russland sind. Die Sicherheitslage dort ist gefährlich und nicht eindeutig zu beurteilen. Fest steht aber, dass die lokalen Autoritäten ganz unabhängig davon auf welcher Seite und von wem anerkannt, nicht die Durchsetzungsfähigkeit haben, um Recht und Ordnung zu gewährleisten, soweit das in annektierten Gebieten überhaupt möglich ist.

An einem der ersten Häuser schenkt mir ein Bauer einen Liter Milch und fährt mich dann auch noch bis in den Ort hinab. Die Menschen hier haben kaum Kontakt mit Touristen und sind daher noch viel hilfsbereiter und freundlicher als im nahe gelegenen Mestia, wo ich die letzten Tage verbracht habe. Als ich suchend an einer Kreuzung herumstehe, hält ein junger Mann an, der sogar englisch spricht und als ich ihn nach einem Laden frage, fährt er mich gleich hin. Dort angekommen weiß ich allerdings nicht so recht was ich kaufen soll. Ohne fremde Hilfe hätte ich dies von außen nichtmal als Supermarkt identifizieren können. Aus Höflichkeit kaufe ich ein Paket Nudeln. Damit wird heute Abend der elfte Tag, an dem ich Nudeln esse, und gewiss nicht der letzte, besser als Fasten, was ich ja meist schon morgens und leider auch gelegentlich Mittag tue, aber so langsam kann ich Nudeln ohne alles oder wenn es hochkommt mit einer rohen Tomate oder Paprika dazu, nicht mehr sehen.

Da schlechtes Wetter im Anzug ist und lautes Grollen in den Bergen über mir dies unmissverständlich klarmacht, beschließe ich,  mir den Luxus einer Unterkunft zu leisten, als ich meinen Fahrer danach frage, meint er, er habe ein Gasthaus und dieses sei direkt hinter mir. Ich betrete ein hübsch, ausgebautes von Ihnen gänzlich mit Holz verkleidetes Appartement mit zwei Etagen und drei Schlafzimmern von fast schon nobler Einrichtung, das ich für doch ganz erträgliche 19 € die Nacht buche. Eine warme Dusche, genauso wie eine Waschmaschine und eine große Küche sind die Vorzüge, doch mehr als Nudeln kochen kann ich auch in dieser Küche unter den gegebenen Umständen leider nicht. Trotzdem genieße ich es, mein Zelt mal durch eine bequeme Unterkunft auszutauschen.

Das Frühstück am nächsten Morgen wird mir dann leider nicht gebracht, ich wurde ganz offensichtlich vergessen, so mache ich mich bemerkbar und werde schließlich in die Küche der Familie gebeten. Mein Gastgeber ist noch ganz verschlafen, dessen Eltern sprechen kein Wort englisch, nur deren Tochter erfasst meinen sehnlichen Wunsch nach einem Frühstück. Immerhin werde ich satt.

Mein nächstes Ziel ist eine heiße Quelle in der Mitte des Landes. Den Weg bis dorthin schaffe ich erstaunlich schnell, was hier bedeutet 100 km in 7 Stunden. Probleme bereitet mir lediglich das Fahren mit den Kleinbussen, sogenannten Matruschkas , da es nie wirklich verlässliche Angaben gibt, wohin diese fahren, wenn man kein georgisch versteht. Ebenso das Geldwechseln ist problematisch. Tatsächlich werden fast alle Scheine, die ich bei mir habe abgelehnt, weil deren Kanten nicht mehr druckfrisch sind und vielleicht, wenn man sie mit der Lupe betrachtet, Risse aufweisen. Zum Glück habe ich solche Probleme auf dem Schwarzmarkt nicht.

Die heiße Quelle liegt recht abgelegen glücklicherweise finde ich aber, ein Georgie, der so freundlich ist, mich die letzten Kilometer dorthin zu fahren. Bauchschmerzen bereitet  mir nur, dass er, nachdem er eines der wenigen Wörter, dass wir beide verstehen, Lamborghini, ausgesprochen hat, er vom Gas einfach nicht mehr runtergeht. Schon bei 3000 Umdrehungen mache ich mir Sorgen , dass der bestimmt 20 Jahre alte Alfa Romeo auseinander fliegt und wir im Graben landen. Doch mein Fahrer treibt es weiter bis 4000 Umdrehungen inzwischen bei 80kmh im zweiten Gang. Dies ist aber noch lange nicht das Ende. Bei 5500 Umdrehungen denke ich dass das Auto kurz davor ist, in die Luft zu fliegen, angemerkt sei, dass in Georgien niemand angeschnallt fährt und die Gurte meist auch nach hinten gebunden sind, kommt dann eine Kurve und er muss bremsen. Nun wir haben überlebt und das Auto anscheinend auch. Zumindest schafft es noch die holprige Straße bis zu den heißen Quellen.

Diese   ursprünglich drei gemauerte Pools, die inzwischen aber durch die Mineralien im Wasser so weitgehend versintert sind, dass sie natürlich aussehen, sind sehr schön. Nur liegt auch hier viel Müll herum und im Wasser baden gerade ein halbes Dutzend Russen, was mich doch ein wenig einschüchtert. Gewisse Vorurteile haben die vergangene Ereignisse geschaffen, dann komme ich aber doch mit ihnen ins Gespräch. Sie sind aus Russland geflüchtet und in Georgien gestrandet. Vorerst seien sie hier sicher und wirtschaftlich würde es sich wegen den Steuern, sie müssten ein ganzes Prozent zahlen,  ebenfalls lohnen. Sie berichten, dass Georgien tief gespalten ist, etwa die Hälfte der Bevölkerung das Geschehen in ihrem Norden befürwortet, die andere Hälfte aber strikt dagegen ist. Nirgendwo habe ich bisher so viele Ukraine Flaggen gesehen wie in diesem Land. Klar ist auch das ein Angriff Russlands jederzeit möglich ist. Ein Mann berichtet als er 2008 in Sotschi studiert hat, hat er eine Panzerkolonne nach Süden rollen sehen und dabei kein gutes Gefühl gehabt, denn das Ziel hat er sich auch schon damals ausmalen können. Zwei Tage später wurde Georgien angegriffen und auf internationaler Ebene behauptet, georgischstämmige Rebellen hätten den Unabhängigkeitskampf begonnen. 

Auch die heutigen Kämpfe hinterlassen in Georgien direkte Folgen. Die Schwarzmeerküste in der hippen Metropole Batumi, die international bei Badegästen beliebt ist, ist von Munition so verunreinigt, dass man dort, obwohl über 1000 Kilometer von den Kampfhandlungen entfernt, nicht mehr ins Wasser gehen könne, wie mir erzählt wird.

Gestern an der Grenze zu Abchasien  berichteten mir meine Gastgeber, sie würden oft russische Kampfflugzeuge, die zweifelsohne den georgischen Luftraum passieren und wüssten dabei nie, ob das vielleicht der nächste Angriff sei. Denn eines ist klar,  hier kann man von einer Waffenruhe sprechen, aber nicht von einem gelösten Konflikt.  Dieser greift viel tiefer und wird dieses kleine Land wohl noch lange zweiteilen, vielleicht sogar zerstören. Politisch und wirtschaftlich ist die Abhängigkeit von Russland wie auch der EU zu groß, als dass man auf einen der Akteure als Schutzmacht und Handelspartner verzichten könne, dessen sind sich zumindest fast alle Georgier einig, unabhängig davon, welche Seite sie befürworten.

Am nächsten Tag habe ich erstmals einen wirklich unangenehmen Lift und ich erwarte schon, dass dieser mitsamt meinem Gepäck im Kofferraum verschwinden wird, dann aber bietet sich mir eine günstige Gelegenheit zur Flucht und ich muss nicht ausprobieren, ob ich rechtzeitig schaffe mein Taschenmesser aufzuklappen und damit einen Reifen anzustechen. Glücklicherweise werde ich bald danach von einem netten russischen Pärchen mitgenommen und mir bleibt eine weitere Konfrontation mit meinem vorherigen Fahrer erspart. Auf der steinigen Passstraße setzt der Wagen oft auf, was die beiden nicht sonderlich stört. Sie berichten mir von ihrer Flucht, dem neuen teuren Leben in Georgien, denn die vielen zahlungskräftigen Geflüchteten aus der Ukraine wie Russland haben Preissteigerungen  hervorgerufen und zeigen mir die schönsten Stellen entlang des Weges. Nun in Begleitung russischsprachiger Menschen werde ich auch zu einem Snack am Wegesrand eingeladen, eine georgische Tradition Fremden gegenüber, zumindest jenen, die die gleiche Sprache teilen.

Mit dem südlichen Teil des Landes betrete ich eine zur Gänze andere Welt. Die Städte sind orientalisch angehaucht und ausgeprägtes Kleinunternehmertum wie auch Rückständigkeit in Bezug auf Lebensstandard und Bildung ein größeres Thema als im Norden. Immerhin ist die Lebensmittelversorgung hier eine bessere und endlich kann ich mich mit Vorräten eindecken.

Endlose Graslandschaften machen die Gegend aus, durchfurcht von Schluchten an deren fruchtbaren Grund an den Ufern malerischer Flüsse kleine Wälder gedeihen, eingefasst von basaltenen Klippen, geschaffen von vulkanischer Aktivität, die auch so manchen kegelförmigen Berg hinterlassen hat. Einen größeren Kontrast zum Kaukasus im Norden könnte es kaum geben, dabei bin ich von diesem gerade einmal 200km entfernt.

Das Trampen gestaltet sich schwierig und so bin ich gezwungen an unvorhergesehen Orten zu übernachten , wobei ich eine sehr unangenehme Begegnung mit Dorf- und Hütehunden habe, die im Gegensatz zu den zahllosen georgischen Strassenhunden sehr aggressiv sind. Nur mit Mühe und Not kann ich sie mit Stockschlägen, die sie noch aufgebrachter werden lassen vom Hals halten. Andere Reisende, die ich später treffe, haben in der Nähe ähnliche Erfahrungen gemacht und schenken mir ein Pfefferspray, das man hier doch gerne bei sich hat. Mein Ziel ist ein 3200m hoher Vulkan über dem Paravani See. Die Anreise ist schwierig und mein Mittagessen leidet auch heute unter der schon chronischen Verspätung, fällt aber zumindest nicht komplett aus. Ich nächtige an einem See unter dem obersten Gipfelaufbau und genieße die freie Sicht aufs Umland, das eigentlich nur aus leerem Raum besteht. Wellige Hügelkuppen ziehen sich bis zur türkischen und armenischen Grenze, ohne dass allzu viele menschliche Spuren zu sehen wären.

In der Nacht klingelt der Wecker um 3:45, ich packe mein klitschnasses Zelt zusammen und beginne den Aufstieg zum Gipfel, den ich bei Sonnenaufgang erreichen will. Meine Stirnlampe hat bei der Kälte den Geist aufgegeben, doch der Vollmond leuchtet mir den Weg. Steile zu Tale rutschende Schuttflanken geht es hinauf und bald zeichnet sich im Nordosten ein glutroter Streifen am fernen Horizont ab. Als glitzernde Spiegel reflektieren die Dutzenden Seen ringsum den Himmel. Während in den Tälern unten noch tiefste Nacht herrscht, ist es hier oben schon fast taghell. Kurz nachdem ich den höchsten Punkt erreicht habe trifft der erste Sonnenstrahl die Spitze und im Westen  entsteht ein zig Kilometer langer Schatten in perfekter dreieckiger Form. Selbst den großen Kaukasus mit Ushba, Elbrus und Schara kann ich in der klaren Luft gut ausmachen.

Meinen Plan dem Grat weiter zu folgen, gebe ich aufgrund des instabilen Ubterhrunds schnell auf und steige zum Paravani Lake ab. Es ist schwierig in dieser Gegend Wasser zu finden und dort wo welches vorkommt ist es vom Weidevieh verunreinigt, das die saftigen Blumenwiesen als kahle Steppe hinterlässt. Der See selbst ist ein Paradies für Wasservögel, Möwen, Reiher und Pelikane, für gewöhnlich in den Bergen schlicht nicht existent sind häufig zu beobachten. 

In den letzten Tagen habe ich eine gewichtige Entscheidung getroffen. Wunderschön ist die Landschaft durch die ich reise und gelungen meine Planung, doch bin ich zu oft alleine, generell alleine und alleine mit allen Schwierigkeiten. Ich hatte gehofft, dass ich unterwegs auf andere Backpacker treffen würde, mit denen ich gemeinsam reisen könnte, doch dies hat sich bisher nicht bewahrheitet und ich habe begründete Annahme, dass dies auch in den kommenden Ländern, Tadschikistan, Kirgisistan und Nepal nicht der Fall sein wird. Daher werde ich die Reise an dieser Stelle abbrechen können und hoffen, sie während meines Studiums zwischen Bachelor und Master fortsetzen zu können. Leicht ist mir diese Entscheidung nicht gefallen und nicht nur weil manche Flüge schon gebucht waren, ist  sie schmerzlich, doch scheint sie mir im Moment die annehmbarste aller Möglichkeiten zu sein.

Brotofen

Wildes Georgien

Ersteinmal Herzlichen Dank für Eure vielen aufmunternden Kommentare. Ich kann sie wirklich gebrauchen.

Ich habe den Fluss nicht überquert. Stattdesse habe ich den langen Weg außen herum angetreten.

Die ersten 40 km des Trampens ziehen sich mal wieder sehr in die Länge, dann aber bin ich erfolgreicher. Mal sitze ich in luxuriösen Geländewagen und begleite die Touristen auf ihren Abstechern zum Sightseeing, wobei ich feststelle, dass auch wenn man bei dieser Art des Reisens das Meiste verpasst, sie doch wunderbar bequem ist, mal in 30 Jahre alten Autos, deren Innenraum von einer dicken Staubschicht bedeckt ist und deren Türen bei jedem Schlagloch in die Höhe gehen und anschließend krachend wieder herab fallen. Genau mit einem solchen Auto passiert es dann auch, dass wir auf der von chronischen Muhrenabgängen geplagten Straße, Ursache ist zweifelsohne, dass man in Georgien noch nie etwas von Hangbefestigung gehört hat und wenn eine Mure abgeht, einfach weiter die Bergflanke abgräbt oder gleich ein Kieswerk dort ansiedelt, stecken bleiben. 

Endlich erreiche ich wieder die Berge und kann meinen Aufstieg auf einen ersten Aussichtsgipfel beginnen. Unmittelbar nördlich von mir erstreckt sich der Grenzkamm zu Russland eine der gewaltigsten Fels- und Eisbarrieren auf dem europäischen Kontinent sowie gleichzeitig die Grenze zwischen Europa und Asien. Auch dort, wo ich mich befinde, liegt noch recht viel Schnee, in dem ich teilweise bis zum Bauch einsacke, was mich dazu veranlasst, den Grat schnell wieder zu verlassen, beim Blick hinab ins Tal gegenüber fürchte ich mal wieder einen unüberquerbaren Fluss, so wende ich mich wieder in die Gegenrichtung und steige über die Fahrstraße ab. Eigentlich komme ich nun in den touristischen Teil des Landes, Swanetien, doch viel gewandert wird anscheinend auch hier nicht. Den ganzen nächsten Tag über begegne ich keiner Menschenseele, allerdings existieren die Wege, die auf meiner Karte eingezeichnet sind auch nicht. Daher finde ich mich meist mit meinem im Moment nur 21 Kilo schweren Rucksack, denn meine Essensvorräte sind fast aufgebraucht, irgendwelche steilen Wiesenhänge auf oder absteigen, da ich heute zwei Pässe überwinden und drei Täler durchqueren will. Obwohl ich den ganzen Tag laufe, schaffe ich kaum ein Dutzend Kilometer und auch nicht gerade viele Höhenmeter. Das Panorama aber entschädigt für vieles. Zu meiner Rechten streben himmelhohe Wände von knapp 3000 m Höhe dem Horizont entgegen. Eisströme stürzen im wahrsten Sinne des Wortes die Flanken hinab, denn selten hört es auf zu krachen. Séracs von Dutzenden Metern Höhe hängen bedrohlich über dem Abgrund, jederzeit bereit, ihre Last in diesen zu ergießen. Pfeiler aus Schnee und Eis ziehen sich von hier unten ihren Anfang in den grünen Matten nehmend, scheinbar übergangslos bis ganz hinauf zu den aller obersten Erhebungen, die teils, so der Gipfel der Schara über 5000 m hoch sind. Größer könnte der Kontrast zwischen der eisigen Welt über mir und dem bunten Blumenwiesen über die ich schlendere, voller Pflanzen, die ich nicht benennen kann, denn hier kreuzt sich die Flora Europas in Asien und vereint sich zu doppelter Vielfalt, nicht sein.

Mal wieder verstellt mir ein Fluss den Weiterweg. Dieses Mal gibt es aber eine alternative Route. Ich muss noch weiter hinauf an die Quelle des rauschenden Wassers zum Gletschermund. Die Gletscherzunge selbst ist zu steil, um über ihr blankes Eis zu klettern, doch darüber ist der Eisstrom schuttbedeckt und zwar mühsam, aber doch gefahrlos zu passieren. Geraume Zeit kraxele ich so auf und ab über die sich bewegenden Blöcke und erreiche schließlich das andere Ende, wo mich ein in voller Blüte stehender Garten aus Rhododendren, Anemonen, Sumpfdotterblumen und Schmetterlingen, durchströmt von einem munter dahin plätschern Bächlein, empfängt.

Hinter dem nächsten Pass liegt, wenig erstaunlich ein Tal und damit einhergehend natürlich ein weiterer Fluss. Auch dieser ist viel zu reißend zum Überqueren, so erwartet mich eine erneute, ungleich schwierigere Gletschertraverse und die Hoffnung, vor 18:00 Uhr am Zeltplatz zu sein, zerstreut sich mal wieder. Zunächst muss ich eine Passage finden, durch die ich die steile Seitenmoräne erst hinauf und anschließend wieder hinab klettern kann, um so das Eis zu erreichen. Teils liegt Geröll auf der blanken Eisdecke und erweckt so einen trügerischen Anschein von Stabilität. Kleinere Spalten oder Wasserläufe kann ich problemlos überspringen. Wenig über mir, aber doch in sicherer Entfernung, kracht es ständig im riesigen, fast 2000 m hohen Eisfall, der sich direkt vom Gipfel der weißen Pyramide der 4800 m hohen Tetnuldi herabsenkt. Mittlerweile erfasst mich die Müdigkeit vom langen anstrengenden Tag und nach weiteren drei Kilometern talabwärts finde ich endlich einen Zeltplatz, doch sind es die Anstrengungen alle Mal wert gewesen für die grandiosen Ausblicke.

Zum Abschluss meiner viertägigen Durchquerung des Gebietes möchte ich auf einem Gipfel zelten, der Aufstieg ist, inzwischen verwundert es mich kaum noch, wie immer weglos. Oben angekommen, liegen mir  fast sämtliche Berge im Süden zu Füßen, im Norden zeigt sich ein komplett anderes Bild, denn betrachtet man jene gigantischen Gebirgszüge dort, wird der Eindruck unumgänglich, dass ich doch nur an deren Fuß stehe. Lange blicke ich in die Ferne und sehe der Sonne beim Herabsinken zu. Sobald diese verschwindet, kühlen die Temperaturen auf knapp über den Gefrierpunkt ab. Auch der nächste Morgen ist sehr kalt, aber das ist auf einer Höhe von 3200 Metern ja auch nicht anders zu erwarten. In nicht mehr allzu weiter Ferne schmücken der felsige Doppelgipfel des Ushba und die große, von ewigem Eis bedeckte Pyramide des Elbrus, dem höchsten Berg Europas, den Horizont. Gestern Nachmittag ist mir das Essen ausgegangen und nun treiben mich Kälte wie Hunger gleichermaßen dem Tal und damit der Zivilisation entgegen. Doch als ich die Fahrstraße erreiche, löst sich mein Plan, ab hier trampen zu können, in Luft auf, denn es ist überhaupt kein Verkehr. Gezwungenermaßen laufe ich weitere 10 km in Richtung Mestia und stürze mich dort mit Heißhunger auf den ersten Supermarkt. 15 Minuten später komme ich wieder heraus mit drei Teilen in den Händen. Ich weiß nicht, wie die Menschen hier Lebensmittel einkaufen. Ein solches Bild habe ich in einem Supermarkt noch nie erlebt. Eigentlich kann man kaum etwas bekommen, das genießbar und bezahlbar ist. Der Großteil der Produkte ist extrem teurer und besteht aus von Europa oder Amerika importierten Süßigkeiten. Immerhin schaffe ich es zwei Pakete Nudeln und eine Gurke zu ergattern, mein Nahrungsmittelvorrat für die nächsten zwei Tage. Vorbei sind die Träume von Kuchen, Desserts, gebratenem Gemüse oder einfach nur gekochtem Reis. Insgesamt ist Mestia eine extrem schäbige Stadt. Man kreuze einen schweizer Skiort mit einer südamerikanischen Favela und man erhält in etwa das Bild, das sich mit hier zeigt. Wirklich jedes Haus bietet Zimmer an und das gleich in so großen Umfang, dass dessen ursprüngliche Bewohner auch manchmal in  einem Schuppen daneben wohnen. Die meisten Touristen aber ziehen anscheinend  vor, für mehrere 100 € pro Nacht in exklusiven Hotels zu verweilen. Dementsprechend teuer ist eigentlich auch alles andere. Da ich nicht unbedingt länger hier verweilen muss, breche ich sofort wieder auf in die Berge und finde, auch wenn es schon später Abend ist, und ich es das Laufen mit Rucksack echt satt habe, es waren alles in allem 20 km, die ich zurückgelegt habe, nur um den Ort über die Straße zu erreichen und meine spärlichen Einkäufe zu erledigen, ich bin noch in drei andere Läden gegangen, aber war dort nicht wirklich erfolgreicher, einen ganz schönen Zeltplatz direkt in der Nähe eines Gletschers unter derselben felsigen Spitze des Ushba.

Es gibt viele Arten, wie man aus dem Schlaf gerissen werden kann. Ich würde die Behauptung aufstellen, dass Donnergrollen eine der unangenehmeren  ist. Bald setzt auch schon prasselnder Regen ein und das Gewitter nimmt an Stärke zu. Das schöne Wetter der letzten Tage ist eindeutig vorbei. Im strömenden Regen breche ich mein Lager ab und starte mit dem Abstieg ins Tal, wobei ich erneut nach Mestia komme, das mich auch diesmal nicht besonders zum Bleiben einlädt. So gehe ich gleich weiter, denn an Trampen  ist hier innerorts gar nicht zu denken, zu meinem nächsten Ziel nach Westen.

Irgendwann nehmen mich dann zwei Türken mit, sie wollen zu einem Wasserfall wandern und kurz entschlossen frage ich, ob ich mich ihnen anschließen dürfe. Daraufhin werde ich mit einem köstlichen türkischen Frühstück verwöhnt. Überhaupt dem ersten Frühstück in der letzten Woche, denn was soll man hier in diesem Land auch schon frühstücken, wenn es meistens kein Brot natürlich keinen Käse, Schinken, Wurst oder Konfitüre und erst recht kein Müsli gibt? Nun aber kann ich endlich mal alle kulinarischen Köstlichkeiten genießen: frisch gebackenes Brot, Käse, gebratene Eier, angebratene Wurst und diverse Nussaufstriche. Auf meine Frage, wo sie all dies gekauft hätten, meinen die beiden schmunzelnd, das Wasser wäre georgisch, der Rest käme aus der Türkei.

Von meinen Reiseplänen sind sie total begeistert und bekommen direkt Fernweh, meinen aber, sie könnten nicht so weit verreisen, das würden ihre traditionell orientierten Familien nicht gut heißen. So etwas von zwei Anfang 30 Jährigen, der eine Richter der andere Ingenieur, zu hören erstaunt mich.

Durch das viele Schmelzwasser  dieses Jahr ist der Wasserfall wirklich sehr beeindruckend. Der Dauerregen von heute Morgen hat sich zu Sonnenschein gewandelt, aber als ich dann abends mein Zelt aufbaue beginnt es wieder zu regen und ich vermisse Reisegesellschaft noch mehr.

Aller Anfang ist schwer

ihr Lieben, hiermit verabschiede ich mich von meinem Blog, den Sascha jetzt weiterführen wird. Wie ihr lesen werdet ist der Anfang alles andere als leicht und wir hoffen sehr dass es bald besser wird für ihn. Schreibt doch zahlreiche Kommentare, damit er weiß, dass ihr das lest. Motivation, Ermutigung kann er in jedem Falle gut gebrauchen. Wenn ihr kein Interesse an seinen Reiseberichten habt geht mir kurz Bescheid, dann nehme ich euch aus dem Verteiler.

Und hier kommt jetzt Sascha:

Ich und rund 100 weitere Menschen werden aus dem Rumpf des Flugzeugs ausgespuckt, empfangen vom strömenden Regen. Ein Bus steht bereit doch bis ich dort bin, bin ich völlig durchnässt. Die Passagiere hatten dem Piloten Minuten lang applaudiert für die Landung, doch eigentlich war es bis hierhin nur Nebel, durch den wir geraume Zeit geflogen waren. Dann stehe ich auch schon draußen vor dem Flughafen. Es regnet noch immer vielleicht ein bisschen weniger heftig aber was macht das schon für einen Unterschied.

Angekommen im 30 km entfernten Kutaissi erledige ich die notwendigen Besorgungen soweit möglich. Am Busbahnhof, wenn man diese Ansammlung von Matruschkas inmitten eines Straßenzuges denn so nennen will, denn ansonsten deutet nichts auf einen Bahnhof hin, frage ich mich durch, um den richtigen Minibus zu meinem Ziel, am Fuße der Berge, zu finden. Eine Stunde später bin ich noch nicht wirklich weiter, doch da mein Flug Verspätung hatte, naht der Abend und damit die Nacht, die ich keinesfalls in den Straßen von Kutaissi verbringen möchte.

Mir bleibt nichts anderes übrig, als zu laufen. Ich bin am südlichen Ende der Stadt und muss ins nordöstliche. Diese 12 km zu Fuß tragen nicht gerade zu meiner Erheiterung bei. Ich bin müde habe in der letzten Nacht gar nicht geschlafen, inzwischen seit über 30 Stunden wach und will eigentlich nur noch ein Platz, wo ich mein Zelt aufbauen und die Nacht ungestört verbringen kann. Als die Besiedlung dünner wird, ist mein Versuch zu trampen endlich erfolgreich. Schon wird es dunkel. Hier im Süden geschieht das früher. Auch wenn heute der längste Tag des Jahres ist, dämmert es schon um 20:30 Uhr. Natürlich finde ich keinen wirklich ebenen Platz, aber zumindest ist dieser von den nahe gelegenen Hochhäusern aus UdSSR Zeiten, ein Bild, das man bei uns nicht kennt, uneinsichtig.

Ein neuer Tag bricht an und für mich die Möglichkeit, diesen freudvoller zu nutzen als den vergangenen. Nachts hat es zwar nicht geregnet, doch alles ist nass vom Tropfwasser unter den Bäumen. Mir bleibt nichts anderes übrig, alles, feucht wie es ist, zusammenzupacken und damit ein extra Kilo im Rucksack in Kauf zu nehmen. Auf den ersten Lift warte ich fast anderthalb Stunden. Mich grüßt  jeder freundlichst, doch mitgenommen werde ich lange Zeit von keinem der vorbeiholpernden Autos. Irgendwann ist es dann doch so weit und ich bin schockiert, wie schlecht dieses Strassenstück ist, nicht nur tiefe Schlaglöcher, sondern auch ein Hangrutsch nach dem nächsten haben die Asphaltdecke inzwischen mehr als verschwinden lassen und man fährt auf einem Bett aus Kieselstein. Hauptverbindungs Straßen beispielsweise in Kirgistan sehen anders aus. Einige Umstiege später bin ich in Ambrolauri. Ich habe festgestellt, dass bei meinem Rucksack der Trageriemen dabei ist zu reißen, irgendwo in diesem Ort will ich ihn reparieren lassen. Ohne Erfolg. Mal wieder werde ich mit meiner Geduld auf die Probe gestellt, um die nächste Mitfahrgelegenheit zu bekommen. Nun aber habe ich endlich mal Glück. Der Mann spricht nicht nur englisch, sondern ist auch so freundlich und hilfsbereit, im nächsten Ort gemeinsam mit mir nach jemanden zu suchen, der sich um meinen Rucksack kümmern kann. Bei der Näherin  der Gegend kann mir nicht geholfen werden, dafür aber bei einem Schuster. Dieser möchte dann für seine Arbeit nichtmals Geld haben. Hier auf dem Land sind die Menschen doch sehr anders. Erst beim Verabschieden sehe ich die Nummer auf seinem Handgelenk eintätowiert.

Anschließend gilt es die Border Permits, die für den Zugang zur Grenzregion zu Russland von georgische Seite vorausgesetzt werden, abzuholen. Doch mit abholen ist es nicht so einfach getan, wie ich glauben will. Bei der Polizeistation des Ortes stehe ich eine halbe Stunde, während eine Frau dicht über ihr Telefon gebeugt, in diesem Land scheinen auch wirklich alle Menschen kurzsichtig zu sein, aber keine Brille zu tragen, recherchiert und wie ich darauf feststelle, den Standort der anderen Polizeistation sucht um ihn mir zeigen zu können. Eventuell sollte an dieser Stelle angemerkt sein, dass die Ortschaft vielleicht wenn es hochkommt 100 Häuser beherbergt. Somit muss ich also zur nächsten Polizeistation. Englisch spricht ja mal wieder niemand so richtig. Mein Anliegen erklärt, muss ich feststellen, dass nicht, wie mir das nationale Grenzpolizeiministerium zugesichert hatte meine Genehmigung hier hinterlegt sei, zumindest behaupten das die Militärs, sondern dass ich sie erneut beantragen muss. Das Formular natürlich auf georgisch, und georgische Schrift sind für mich einfach nur viele Kringel mit ein paar Strichen dran, auszufüllen ist ohne Übersetzung eine lächerliche Lapalie und bürokratischer Schwachsinn. Irgendwann sind dann auch die Soldaten von unseren Verständigungsschwierigkeiten so genervt, dass sie mir einfach das Blatt unausgefüllt aber mit Stempel und Unterschrift mitgeben. Warum nicht gleich so?

Erneut ist das Glück auf meiner Seite. Ich stehe mal wieder vergeblich am Straßenrand und suche nach einer Mitfahrgelegenheit. Da wendet sich der Mann, dessen Grundstück hinter mir liegt an mich und sagt, dass er doch ein schönes Haus habe. Daraufhin lobe ich vor allem die Kirsch- und Walnussbäume, die davor stehen. Wenig später kommt er mit einem Ast behangen von reifen Kirschen wieder. Er fragt mich, wo ich hin wolle und dass er mich fahren würde. Seine Frau in perfektem Englisch, fast jeder hier hat ein Kind in Deutschland, fragt mich, ob ich russisch spräche, denn dies wäre der Eindruck ihres Mannes gewesen, bald man merkt sie aber, dass davon keine Rede sein kann und meint lachend , dann müsse ihr Mann eben sein Englisch trainieren. Ich werde mitsamt meines leider recht monströsen Rucksacks und den Kirschzweigen ins Auto verfrachtet und er fährt mich einfach so die 45 km den Berg hinauf. Dabei unterhalten wir uns so gut wie möglich, bis sein Wortschatz an Englischvokabeln und mein Wortschatz an Russischvokabeln aufgebraucht sind. Dann muss die Stereoanlage des Autos herhalten. So dröhnen Eric Clapton, Bob Dylan und Metallica aus den Boxen, erfreulicherweise hat mein Fahrer einen ganz guten Musikgeschmack.

In Ghebi angekommen, bekomme ich einen ersten Eindruck vom Kaukasus, auch wenn die Gipfel alle in dichten Wolken hängen. Die Wiesen am Talgrund sind unglaublich nass und die Flüsse führen Hochwasser. Ihre Ufer sind gesäumt von Azaleen, schwarzen Johannisbeeren, Orchideen, Tigerlilien Esskastanien und Walnussbäumen, einer Flora, wie man sie bei uns vielleicht in einem Gartencenter fände. Über einen steinigen Fahrweg im riesigen gewaltigen Flussbett wandere ich taleinwärts und werde dabei immer wieder von Regenschauern überrascht, die mich zwingen, alles regensicher einzupacken, bei meinem Gepäckvolumen und vielen wichtigen, elektronischen Geräten kostet das jedes Mal zehn Minuten. Noch mehr als von der Schlepperei bin ich vom logistischen Aufwand genervt, mein Hab und Gut stets aufs Minimum komprimiert zu verpacken, um es überhaupt irgendwie tragen zu können. Doch genauso froh bin ich endlich dem Trubel der Stadt, den Straßen und dem Warten entflohen zu sein. Hier in den richtigen Bergen ist doch gleich eine ganz andere Ruhe und Gelassenheit. Schnell lasse ich die letzten dauerhaft bewohnten Häuser hinter mir, und es wird einsamer. In den Alpen wäre so etwas völlig undenkbar, aber hier sind nur der Fluss, die inzwischen teilweise auch zugeschüttete oder weggebrochene Straße, der Wald und die Berghänge darüber. Auch wenn ich das Laufen genieße, schmerzen meine Füße von der langen Zeit in Bergschuhen. Vom Gehen bei heißen Temperaturen sind meine Füße voller Blasen.

Ein Wildbach kreuz meinen Weg, nichts besonderes, doch das Überqueren mit 20 Kilo Rucksack, wenn man den Grund nicht sieht auch wenn das Wasser nur bis zum Schienbein reicht, also einer wirklich lächerlich Höhe, kritisch wird es nämlich erst bei mehr als kniehohem Wasser, natürlich immer in Relationen zur Strömung, bereitet mir Schwierigkeiten. Was soll dann erst noch kommen?

Es dauert nicht lange und dann ist es soweit. Ich hab es schon befürchtet, als ich auf die Karte gesehen habe und jetzt höre ich es am Rauschen. Nein kein Rauschen, ein drohendes Lärmen, das alle sonstigen Klänge verschluckt. Vor mir rauscht ein Fluss herunter, der selbst ohne Gepäck für mich in der Kategorie zu zuordnen wäre, die so gerade eine Nummer zu groß zum Überqueren ist. So richtig kann man Flüsse aus der Entfernung nie einschätzen, wenn man nicht den Grund sehen kann. Ist das Wasser aufgewühlt oder schlammig so muss man die Tiefe erkennen, um einschätzen zu können, wie mächtig die Strömung wirken kann. In diesem Falle gibt es wenig Zweifel. Trotzdem, aus Ratlosigkeit, wie es für mich jetzt weitergehen soll, nehme ich einen 30 kg schweren Stamm von 4 Metern Länge, breiter ist der Wasserlauf übrigens nicht und werfe ihn hinein. In Sekundenschnelle ist er 30 Meter tiefer.

Das ganze wäre einfach, wenn man mir Versagen bei der Planung vorwerfen könnte oder muss man das? Ich habe jeden Kilometer, den ich auf dieser Weltreise gehen wollte mittels Satellitenbildern vorher geprüft, unter anderem auf die Größe der Flüsse. Wäre dies ein normales Jahr mit weniger Schmelzwasser, ich glaube kaum, dass man diesen Bach überhaupt als Hindernis wahrnehmen würde.

Was bedeutet das für meinen Georgienaufenthalt? ich bin ziemlich verzweifelt. Zweifelsohne es ist nervig, wieder die 4 Stunden aus dem Tal heraus laufen zu müssen und zwei Tage ins nächste Tal zu trampen,um von dort aus wandern zu können. Aber wirklich fatal ist es nicht, wenn man bedenkt, dass ich ein Jahr reisen will. Was macht das schon ein Tag oder zwei. Viel mehr es ist die Frage was ich nun unternehmen kann. Alle Bäche sind angeschwollen. Dies hier war der Anfang der Eingehtour, die vielleicht simpelsten Kilometer Trekkingstrecke auf meine Weltreise. Noch befinde ich mich ja immerhin auf einem Fahrweg. Wenn dies nicht geht, was ist denn noch alles unmöglich? 

Erschöpft grabe ich neben dem Fluss im Kies eine flache Stelle, um dort das Zelt aufzubauen. Mal wieder ist es schon spät, 20:00 Uhr und bis ich mit dem Abendessen fertig bin nach 21:00 Uhr, für Campingverhältnisse bedeutet diese Uhrzeit  immer einen richtig langen Tag. Kleinigkeiten wie das Auslaufen einer Zahnpastatube oder die Nichtauffindbarkeit des Klopapiers rauben mir fast die Fassung. Alle Schutzmaßnahmen gegen Bären, von denen ich je gehört habe, die allerdings auch für den größeren Grizzly gelten, den es hier natürlich nicht gibt, aber wer weiß schon ob mit  kaukasischen Braunbären zu spaßen ist, außer Acht lassend, sinke ich in mein Zelt und beschließe, folgendes für den morgigen Tag: Sinkt  der Wasserstand vom Fluss, soweit das ich ihn morgen früh überqueren kann, werde ich es wagen, weiter zu gehen, denn die anderen Bachläufe sind auf der Karte kleiner eingezeichnet, komme ich nicht herüber, werde ich drei Tage trampen, um wieder auf meine Route zu kommen.

Regentage in Albanien

Ich liege in unserer Kabine und lausche dem Trommeln des Regens auf dem Dach. Zu gerne würde ich diesen Regen nach Deutschland schicken, wo die Natur dringend Wasser benötigt. Die nächsten 4 Tage werden hart. Dauerregen bis dann am Sonntag endlich der hier übliche Sommer beginnen soll.

Den gestrigen Tag haben wir dafür nochmals voll genutzt. Um dem nachmittäglichen Gewitter zu entgehen, sind Sascha und ich bereits um 3 Uhr losmaschiert

(Georg kann sich nicht aufraffen, im Dunkeln zu laufen und startet erst um 4:30), um den Jezerce, Albaniens zweithöchsten Berg zu besteigen. Die erste Stunde wandern wir mit Taschenlampe, dann beginnt die Morgendämmerung. Den Schlangen, denen wir in den vergangenen Tagen weiter zahlreich begegnet sind, scheint es zum Glück noch zu kalt zu sein. Die Berge hüllen sich in Nebel und man weiß nicht, ob dieses Unternehmen von Erfolg gekrönt sein wird oder ob wir doch im schlechten Wetter landen werden.

Nach 2 Stunden beginnt der Schnee. Obwohl wir so weit südlich sind, hat sich der Altschnee aufgrund der verrückten Wetterlage hier länger gehalten als in den Alpen.


Uns macht das nichts, denn wir sind mit Steigeisen und Pickel gut ausgerüstet. Der Weg liegt jedoch in weiten Teilen unter Schnee. So ist es nicht ganz leicht immer die richtige Richtung zu finden. Manche Schneefelder scheinen auch etwas steil zum Queren. Da man im Nebel nichts sieht, macht es das auch etwas unheimlicher.

Als wir den Pass erreichen, klart es plötzlich auf und uns liegt die gesamte albanische Bergwelt zu Füßen. Die Sonne ist warm, dennoch führt der Weg zum Gipfel noch 300 Höhenmeter über Schnee.

Plötzlich ist Sascha verschwunden. Unter dem Schnee sind unvorhersehbare Schmelztunnel. In einen solchen ist er eingebrochen. Zum Glück hat er sich nicht verletzt, als er wieder aus dem Loch krabbelt.

Aber der Schnee ist uns nun etwas suspekt und wir suchen einen anderen Weg zum Gipfel und versuchen den Schnee zu umklettern. Das erweist sich als mühsam und langwierig. 9:00 Uhr haben wir uns als Umkehrpunkt gesetzt, um nicht in Regen und Gewitter zu kommen. Ich lasse Sascha die letzten Meter zum Gipfel alleine gehen. Er ist schneller und mir ist es auch nicht so wichtig einen Gipfel zu erreichen. Ich genieße stattdessen die schöne Aussicht, die warme Sonne und die Pause.

Der Rückweg wird durch das Abrutschen im Schnee wieder verkürzt. Trotzdem ziehen sich die 1600 Höhenmeter. Als wir am Pickup ankommen, ist Georg, der eine andere Wanderung ohne Schnee gewählt hat auch schon da. Unser frühes Aufstehen hat sich sehr gelohnt. Sicht hatte er, im Gegezu uns, leider keine mehr. Wir schaffen gerade noch unser Mittagessen, dann startet der Regen. Ein wenig wehmütig verabschieden wir uns von den albanischen Bergen. In einem anderen Jahr mit normalem Wetter komnen wir sehr gerne wieder hierhin zurück.

Schlangen in Albanien

von unserer Bekanntschaft in Kirgisistan waren wir schon vorgewarnt worden, dass es in Albanien von Schlangen nur so wimmelt. Wir müssen nun feststellen, dass das nicht untertrieben war. Auf unseren Wegen sind uns bisher schon ein Dutzend verschiedener Schlangen begegnet.

Es gibt in Albanien 16 Schlangenarten acht davon sind giftig und eine ist tödlich.

Tödliche Hornotter oder ungiftige Zornatter?

Die letzte hat uns besonders erschreckt. Auf dem Weg zu unserem wunderbaren Fluss richtete sich dieses Exemplar gefährlich fauchend vor uns auf. Wir sind uns noch nicht ganz einig, ob es sich um die tödliche Hornotter oder vielleicht doch nur die ungiftige Zornnatter handelt. Bitte recherchiert doch mal und gibt euren Kommentar dazu ab, damit wir wissen ob wir uns weiter an diesem wunderschönen Fluss wagen können.

Während ihr in Deutschland schwitzt, überstehen wir hier gerade Regentage und hoffen übermorgen wieder in die Berge zu können

Wo geht es nach Albanien?

Reisebericht 2 kroatien EU finanzierte Abzocke?

In Kroatien erwartet uns eine nagelneue EU finanzierte Autobahn, die allerdings Geld kostet. Doch wir sind müde von dem frühen Aufstehen und den Touren der letzten Tage und freuen uns dadurch recht zügig in den Süden zu kommen. Etappenziel ist Paklencia, der Ort wo Winnetou gedreht wurde und der sich zu einem Klettereldorado entwickelt haben soll. Inzwischen ist das Gebiet zum Nationalpark erklärt worden. Wir machen erstmal ein dummes Gesicht, als von uns 30€ verlangt werden um die 2 Kilometer lange Schlucht zu Fuß oder per Auto zu erkunden. Es ist irgenwie absurd, in den Alpen allein oder ganz Europa gibt es zig wunderschöne Schluchten. Wenn man jedes Mal zahlen müsste, um sich diese anzuschauen, wäre man alleine bei einer Alpenüberquerung nach Südfrankreich ziemlich arm. Wir finden das ist ein Ausverkauf der Natur, wie es schon in den amerikanischen Nationalparks der Fall ist, wo die Touristen in Massen mit Reisebussen in die Parks gekarrt werden und diese dann völlig überlaufen sind.

Sascha ist findig und nach kurzem Studium der Karte entdeckt er einen anderen Zugang, wo wir über einen gemütlichen Wanderweg mittels dem wir die Eintrittsgebühr vermeidenden. Die Wege sind ebenfalls EU finanziert, alles ist gepflastert und unserer Meinung nach sehr teuer angelegt. Massen von Touristen wandern darauf. Sascha und ich entklettern den Touristen über eine dreistündige Klettertour. Auch Georg findet kleine menschenleere Pfade, da die Touristen auf dem gepflasterten Hauptweg zur Eisbude laufen.
Wir sind sehr zufrieden mit unserer Unternehmung und gehen zum krönenden Abschluss noch sehr lecker (aber teuer) Fisch essen. Zum Schlafen finden wir eine kleine Stichstraße an die Küste und vergnügen uns bei einem abendlichen Bad im Meer. Gerade als wir gut in unseren Betten liegen kommt ein Kroate und verlangt 15€ von uns. Das wäre seine Straße und wir könnten hier nur übernachten, wenn wir das zahlen. Keine Ahnung, ob das stimmt, oder ob er nur die Küste abfährt und Touristen abkassiert. Es fühlt sich schräg an und so packen wir nochmals ein und fahren hoch übers Meer zu einem Aussichtsplatz an dem wir schon die letzte Nacht verbracht haben. Vielleicht lassen unsere Eindrücke sich nicht verallgemeinern doch wir haben das Gefühl, dass man bei den Touristen gerne die Hand aufhält. Am nächsten Morgen ist uns das Mittelmeertief wieder treu und wir fahren bei strömendem Dauerregen weiter gen Süden.

Wir haben vor über Montenegro und kleine Straßen im Hinterland nach Albanien einzureisen. Zunächst bezaubert uns jedoch Montenegro. Zu Beginn paddeln wir mit unserem Boot durch ein Naturidyll von Seerosen, alten Weiden, vielen Wasservögln durch stille Flussarme zu einem weiten See. Das Wasser ist kristallklar, bestückt mit Wasserpflanzen und lädt zum Baden ein. Auch die Sonne spielt mit und liefert die entsprechende Temperatur.

Als unser zweites Ziel in den Bergen aufgrund der kleinen kurvenreichen und schlechten Straßen zu weit ist, zaubert Sascha in sekundenschnelle eine andere Wanderung in der unbekannten Gegend aus dem Hut. Er überrascht uns immer wieder, mit welcher Geschwindigkeit und welchem know how er Pläne entwirft, während Georg und ich noch ratlos und planlos abwarten. Wir fahren durch riesige Waldgebiete in denen Bär und Wolf zu Hause sind und landen am Fuß des Berges, den wir am nächsten Tag besteigen.

Morgens hängt ein Nebelmeer über den Tälern und wir nutzen die sehr frühen Morgenstunden um dem allnachmittäglichen Gewittern zu entgehen. Anders als Kirgisistan ist dieses Land enger, grüner, es blühen massenweise Traubenhyazinten, Krokusse, Primeln und Nelken. Kuckuck und Nachtigall sind permanente Begleiter. Am nächsten Tag erreichen wir erstmalig Albanien – aber zu Fuß. Wir übernachten im Nationalpark Prokletje, in dem paradiesischen Tal Vusanje. Der Weg zu der eindrucksvollen Zinne Arapi, die wir besteigen wollen scheint uns unglaublich weit. Doch der Weg dahin ist beeindruckend schön.

Zwischen hohen Felsnadeln und Türmen geht es sehr abwechslungsreich durch Wälder und artenreiche Blumenlichtungen, an Seen vorbei hinauf in die schroffe und noch sehr schneereiche Bergwelt.

see in der Morgendämmerung

Am Schluß muss über zerklüfteten Karst geklettert werden was für Georgs frisch verheiltes Bein eine Herausforderung ist. Das Wetter hält sich heute sehr lange und so wagen wir nach einigen Bedenken den insgesamt 7 stündigen Aufstieg bis zum Gipfel hinter uns zu bringen. Wohlwissend das 5 h Rückweg dann noch vor uns liegen.

Der Berg Arapi, den wir besteigen

Hinunter versuchen wir eine Abkürzung durch das Labyrinth von Karst zu finden. Saschas Karte und Spürnase geleitet uns sicher hindurch.

Einige Schneefelder versüßen den Abstieg, ist es doch viel vergnüglicher über Schnee hinunter zu rutschen als mühselig zu klettern. Doch am Ende des Tages sind wir alle 3 fix und foxi. Vorbei sind die Zeiten mit 1500 Höhenmetern und mehr. Saschas Knie melden sich auch wieder, was ihm Sorgen wegen seiner geplanten Trekkingtouren macht. Doch am nächsten Morgen ist Georgs Schwellung von seiner OP erstaunlicherweise zurück gegangen. Ans Limit gehen scheint also die richtige Devise.

Aussicht vom Schlafplatz

Der Versuch Albanien über eine kleine Offroadstrecke zu erreichen scheitert. Ein Ortsansässiger sagt mit Blick auf unser Auto das wäre unmöglich. Die Strassen sind durch den häufigen Regen aufgeweicht und wir sind hin und hergerissen. Den ganzen weiten Weg zurück zu Küste, wo wir doch eigentlich in die Berge wollen oder durch den politisch instabilen Kosovo, wo Serben und Kosover bis an die Zähne bewaffnet jederzeit über einander herfallen können. Organisierte Kriminalität scheint auch verbreitet zu sein und ob er 100% entmint ist, ist auch nicht sicher. Wir entscheiden uns zunächst zu versuchen die Grenze zu überqueren und dann in einem Rutsch durchzufahren, um Albanien von Norden zu erreichen. Hoffentlich klappt es.

Auf dem Weg nach Albanien

Die ersten sechs Tage des Unterwegssein liegen hinter uns. Sie sind wie im Flug vergangen. Das Wetter im Mittelmeerraum ist nach wie vor sehr gewittrig und auch in den Alpen droht nachmittags Gewitter.

Deswegen sind wir in den ersten drei Tagen immer sehr früh aufgestanden, teilweise gegen 4 Uhr morgens, um Regen und Gewitter zu entkommen.

Georg und ich sind recht gehandicapt, mich plagen Rheuma und Rückenbeschwerden, Georg hat erst vor drei Wochen den Gammanagel aus seiner Hüfte heraus operiert bekommen. Deswegen müssen Höhenmeter und Tourenlänge jetzt reduziert werden. 

Ein sehr schöner Übernachtungsplatz unterhalb der Taghaube
Auf dem Weg zum Dachstein

Daher haben wir nach unserer Einstiegstour auf die Taghaube im Süden Berchtesgaden die Bergbahn auf den Dachstein genommen. Dort gelangen wir ins winterlich verschneite Hochgebirge. Bei strahlender Sonne machen Sascha und ich uns auf zu einem Klettersteigauf den Dachstein (2995m). Unsere Tour wird recht abenteuerlich, als wir feststellen, dass die Stahlseile des Klettersteigs doch zu Teilen noch tief unter Schnee begraben sind, wodurch wir in jenen Passagen ohne Sicherungsmöglichkeiten auskommen müssen. In steilen und dazu weichen Schneefeldern fühle ich mich schnell sehr unsicher und so seilen wir wieder auf den Gletscher ab und finden einen anderen schneefreieren Aufstieg auf den Dachstein. Die Aussicht ist wunderbar, es gibt kaum Mitstreiter weil der im Sommer überlaufene Berg unter diesen Bedingungen weit weniger einfach ist als im Hochsommer. 

unterm Schnee versteckter Steig
eine heikle Querung

Am nächsten Tag stehen wir schon um 4 uhr auf, weil es bereits vormittags regnen soll. Sascha und ich wollen eine Mehrseillängenroute in den slowenischen Alpen klettern, während Georg den gleichen Berg über den Normalweg erreicht.

Mir ist bedenklich zumute. Ich habe Sorge dass uns der Schnee wieder Schwierigkeiten bereiten könnte oder der Regen uns in der Wand überrascht. Eine gewisse Hassliebe besitze ich zu unseren Touren. Einerseits mache ich tolle Erfahrungen, die ich mich ohne Sascha niemals trauen würde, andererseits weckt es doch viele schlummernde Ängste in mir, was alles schief gehen könnte. Der Weg zum Einstieg ist mit 2 Stunden geschafft, die letzten Meter mit Steigeisen um den Schnee der am Wandfuß liegt zu überwinden. Wir finden dann von 20 Meter vom Einstieg der Nordwandroute entfernt ein neues Paar Bergschuhe, die mir passen, so stecken wir diese ein, was allerdings auch bedeutet, dass wir sie noch die Wand hoch schleppen müssen. Hat tatsächlich jemand seine Schuhe hier verloren? Der Ärmste musste dann den Berg auf der anderen Seite ohne Schuhe absteigen. Saschas Theorie: Jemand ist die ganze Wand abgestürzt und die Schuhe haben sich beim Sturz gelöst. Mhmm, keine schöne Vorstellung und die Bilder von stürzenden Bergsteigern bleiben mir noch eine Weile im Sinn. Wir klettern die ganze Zeit mit dem aufsteigenden Nebel. Sascha als Vorsteigender kommt manchmal über die Nebelschicht. Ich als Nachsteigende kann wenig in die Tiefe schauen weil das aufsteigende Nebelmeer alles verschluckt. Das Klettern ist sehr schön, ein wenig bröselig aber nie schwer. Der Regen lässt auch auf sich warten und wir gewinnen beeindruckende Aussichten auf die Bergkämme, die sich über das Nebelmeer erheben.

Obwohl es nur 340 Klettermeter, also rund zehn Seillängen sind, ziehen sich diese und so sind wir ganz schön erschöpft als wir endlich den Gipfel erreichen. Glücklicherweise treffen wir dort auch Georg, der zu anderen Zeiten auch schon mal den falschen Berg bestiegen hat und wir ihn dann nur von weitem haben zu winken können. Bestenfalls🤣. Der vom Wetterbericht prophezeite Regen verspätet sich, wodurch wir gemütlich absteigen können.

Aufgrund unseres frühmorgendlichen Aufstiegs ist es erst Mittag als wir zurück sind und wir fahren die vier Stunden ans Meer in Kroatien, wo uns ein wildes Gewitter empfängt.

Das Fazit der ersten Woche: schöne Verwandtenbesuche, drei wunderschöne Touren und jetzt erstmal Seele baumeln lassen. Rheuma und Rücken sind ganz okay und auch Georgs OP-Wunde ermöglicht mittelweite Wanderungen. Auf tägliche Gewitter Unwetter müssen wir uns einstellen, doch es ist schön warm in der Sonne und wir waren auch schon im Meer ausgiebig schwimmen.

Morgens in Slowenien Anstieg zur Klettertour.
Klettertour im Triglav Nationalpark. Dem Nebel gerade eine Seillänge voraus

Letzte Klimmzüge in Kirgisistan

Wenn, wie ihr schreibt, für euch unser Wildnistrip in Kirgisistan wie ein Krimi wirkt, will ich euch die letzten zwei Tage nicht vorenthalten. Letztes Ziel war ein Tal in der fast 5000 Meter hohen Ala Archa Region etwa eine Stunde Autofahrt südlich von Bishkek.

Es ist Herbst geworden. Das heißt kalter Wind, kühle Abende und kalte oft auch frostige Nächte. Am Talschluss sind die meisten Jurten für den Winter abgeräumt.

Doch weil die Kirgisen am 31.8. ihre Unabhängigkeit feiern, gibt es einiges an Tourismus. Meine Sehnsucht nach einem Hotel ist vergeblich angesichts der Preise. 169 € pro Nacht ist mir die warme Dusche dann doch nicht wert.

Sascha ist angetan vom Schlafplatz, einer lehmigen ehemaligen Stellfläche einer Jurte: “ In den Alpen könnte man nirgendwo mit dieser Aussicht so zelten.“ Georg schimpft: “ Trostlos, überall Viehscheiße und Dreck!“ Ich schluchze nur: „Badewanne“ und ziehe mir seufzend lange Unterhose, zerissene Qutdoorhose und Mütze an.

Meine Versuche mit einem verbliebenen Hirten ins Gespräch zu kommen, um 3 Pferde zu leihen und am nächsten Tag zu reiten, bleiben ergebnislos. Er hat nur ein Pferd, dass würde er mir auch leihen. Aber zu dritt auf einem Pferd… lassen wir mal lieber.

Sascha überzeugt uns früh aufzustehen, um die 1600 Höhenmeter, von denen er sich eine phantastische Aussicht auf die ganz hohen Berge verspricht, zu schaffen. Wir einigen uns auf 6:00 Uhr (seufz).

Die Nacht ist wie erwartet kühl. Für einen Tee ist es zu windig. Ich träume von einer Badewanne (seufz).

Sascha hat einen Weg durch ein kleines Tal ausgekundschaftet. Von dort wollen wir den Aufstieg auf den 3400 Meter hohen Berg starten. Anfangs gibt es einen guten Weg, doch bald wandelt sich dieser zu einem schmaler und dünner wedenden Pfad. Das dornige Gestrüpp wird stetig dichter und dichter. Andauernd müssen wir den Bach queren, um weiter zu kommen. Das Tal wird schließlich so steil und eng, dass klar wird: Hier ist kein Durchkommen mehr. Mittlerweile ist auch der Rest eines Pfades zur Gänze verschwunden.

Zurück wollen wir auch nicht, so versuchen wir, irgendwie an den steilen Seitenwänden hoch auf den Bergrücken zu gelangen, in der Hoffnung dass es dort wegsamer sei. Erst klettern wir über ein Blockfeld und dann hinein ins Gestrüpp. Was für Sascha mit links geht und für mich ein kleines Ärgernis ist, ist für Georg fast unüberwindlich. Immerhin ist sein Oberschenkelhalsbruch noch kein Jahr her. Sich unter Dornengestrüpp über Baumstämme in steilem Terrain fortzubewegen, ist für ihn eine kräftezehrende Tortur, was er uns auch mit jedem Schritt wissen lässt. Aber ähnlich wie wenn man plötzlich mit dem Auto auf einer schwierigen Offroadstrecke gelandet ist und nicht wenden kann; hier gibt’s nur weiter. Irgendwie durch, denn zurück geht für Georg gar nicht mehr. Zu steil.

Irgenwann haben wir die schweißtreibende Arbeit geschafft und sind auf dem Bergrücken.

Kein Vieh hat die Vegetation kahl gefressen und der Weiterweg ist einfacher durch wunderschöne bunte herbstfarbene Vegetation. An einem Pass lassen wir Sascha mal wieder alleine ziehen. Georg ist vom unwegsamen Aufstieg zu sehr geschafft. Ich leiste ihm Gesellschaft. Oft auf dieser Reise hat uns der Spagat zwischen einem 18 jährigen Abenteurer und einem 69 jährigen Exoperierten herausgefordert. Wir verpassen also den Blick auf die Eiswände, von denen uns Sascha später vorschwärmt.

letzter Schlafplatz

Doch am letzten Tag gelingt uns noch eine gemütliche Familientour, mit für uns angemessenen 400 Höhenmetern auf einen nur 2300 Meter hohen Berg. Mit Aussicht auf die Gletscherberge in der Ferne. Zurück in Bishkek lassen wir noch unser Auto waschen. Für 5,50€ wienern 3 Leute se von innen und außen. Georg fühlt sich an seine Kindheit erinnert, wo er am Wochenende als Sohn eines Tankstellenbesitzers 20 – 30 Autos herausputzen musste. Er stellt anerkennend fest, dass die Autowäscher ihre Arbeit gut machen. Einer der Wäscher erzählt, dass er eigentlich einen Doktor hat, damit aber keinen Job bekommen hat… Ein wenig nervös sind wir schon bei der Rückgabe des Leihwagens, denn ein paar Kuhkratzer sieht man nach der Wäsche wieder. Doch trotz Flutlichtanlage in der Tiefgarage gibt es noch keine Beanstandungen.

Die Dusche im Hotel ist herrlich. Danach wandern wir noch über den Oshbazar. Die orientalischen Bazare sind immer einen Ausflug wert. Es gibt unglaublich viel zu sehen. Nur beim Kaufen müssen wir uns zurück halten, weil unser Gepäck aus allen Nähten platzt. Kurzzeitig verirren wir uns in ein sehr traditionelles Lokal. Aber da mal wieder die Speisekarte nicht lesbar ist und keiner ein Wort englisch kann, sitzen wir etwas ratlos da. Als es dann nichtmals eine Cola zu trinken gibt, sondern nur selbstabgefülltes, warmes, etwas trübes Wasser, das in alten Flaschen auf dem Tisch steht, nehmen wir reißaus. Lieber nicht soo traditionell. Trotz Feiertag gelingt es uns durch das Abklappern einer ganzen Reihe von Lokalen in dieser Millionenstadt irgendwann eines zu finden, das geöffnet hat.

Der Taxifahrer am Morgen um 4 Uhr rast mit 130km/h zum Flughafen, unangeschnallt natürlich. Leider gibt es auch keine funktionierenden Anschnallgurte für Georg und mich. Wäre doch blöd, wenn Sascha jetzt noch Waise würde. Der Blinker unseres Taxifahrers funktioniert auch nicht, weswegen er mit seiner Warnblinkanlage fährt, worauf jemand neben ihm braust, ihm bedeutet das Fenster runterzukurbeln um ihn darauf hinzuweisen, was unser Fahrer aber mit einem Grunzen und noch mehr Gas geben, das in einem kleinen Autorennen endet, ignoriert.

Nach fünfmaligen Gepäckdurchleuchten und Abgetastetwerden sitzen wir im Flieger. Sascha freut sich schon aufs kommende Jahr, wenn er auf seiner Weltreise Kirgisistan nochmals bereisen wird. Georg ist froh mit mir deutlich gemütlicheren Urlaub zu machen (oder doch erstmal zu Hause zu bleiben). Ich fand es ein tolles Abenteuer und freue mich auf meine Badewanne 😀

Nächstes Jahr werden wir an dieser Stelle Saschas Reiseberichte finden, der sich dann alleine aufmacht, die Welt zu entdecken und uns hoffentlich auf dem Laufenden hält.

Im Tal der Schmuggler

Von dem unliebsamen nächtlichen Besuch habe ich ja schon berichtet. Die „Straße“ auf der wir in dieses Tal hineinfuhren führte durch scheebedeckte Berge ganz nah an Kasachstan. Im Internet machten wir uns schlau, dass der Schmuggel zwischen den beiden Ländern, sehr zum Ärger von Kasachstan, blüht, worauf Kasachstan seine Grenzen komplett verrammelt hat (nun, an dieser Stelle wohl nicht) An einer Stelle haben Schmuggler Wodka mittels eines Schlauches durch einen Fluss geschleust.

Wir wissen nicht, was hier geschmuggelt wird aber die Menschen, die wir hier treffen sind anders, als wir es bisher kennengelernt haben unfreundlich, unangenehm, verwahrlost.


Unerwartet sind wir mit dem Winter konfrontiert. Der Wetterumschwung hat in den Bergen Schnee gebracht und es herrscht ein schneidend kalter Wind.

Schneeregen
Neuschnee auf den Bergen

Da aber das Tal so schön und wild ist, mit Granitblöcken sowie einem reißenden Fluss und das Wetter für den nächsten Tag wieder schön gemeldet ist, beschließen wir diese hardcore Kälte durchzustehen.

Hoch ins Schmugglertal

Als wir unser Mittagessen im Auto (wegen der Kälte) einnehmen kommt ein Auto, es hält und 3 Männer steigen aus. Sascha und ich verlassen unseren Geländewagen ebenfalls, um die unvermeidliche Unterhaltung zu führen. Die drei sind anders als die freundlichen und an Kontakt interessierten Hirten. Einer, offensichtlich berauscht, der andere aus Pakistan oder Afghanistan (die Äußerungen dazu waren nicht ganz eindeutig) der dritte ein Jugendlicher, der mit großer Aufdringlichkeit und Begehrlichkeit in unser Auto linst. Die drei wollen alles von uns: Ob wir Geld hätten, kasachisches oder kirgisisches oder Dollar, ob wir ihnen Bier oder Wodka geben könnten, ob wir vielleicht Fotoapparate oder anderes Interessantes hätten. Sie wirken nicht gewaltbereit, aber unangenehm schmierig und wir haben den Eindruck, wenn sie unser Auto ohne uns angetroffen hätten, hätten sie es komplett leergräumt. Nachdem wir die drei nach fünfundzwanzigfachem Händeschütteln endlich losgeworden sind, beschließen wir, das Auto lieber nicht alleine in dieser Gegend stehen zu lassen und zeitversetzt zu wandern. Sascha morgens um 5 und wir dann wenn er zurück ist.

Die Nacht war eisig und am Morgen ist alles gefroren, bei bestimmt -5 Grad Außentemperatur. Zu völlig absurden Zeiten kam noch ein Auto mit Männern, die uns finster musterten. Es war eine unruhige Nacht. Sascha und ich überlegten, ob es so klug war sich hier aufzuhalten und ob es sicher sei, wenn er alleine unterwegs ist beziehungsweise alleine am Auto auf uns wartet. Georg dagegen meint, wir hätten eine zu blühende Phantasie. Ich denke eher er hat eine zu geringe Vorstellungskraft. Dieses ganze Tal ist merkwürdig, Hirten grüßen nicht, sondern sehen nur stur geradeaus, wenn sie vorüberreiten. Es gibt weder Jurten noch Frauen oder Kinder, stattdessen Reiter, die ganz offensichtlich nicht gesehen werden wollen und uns ausweichen. Sascha macht am Morgen seine Wanderung zu einem See, ist aber etwas nervös. Georg und ich besteigen einen Berg direkt vor unserem Zelt, so dass wir das Auto und ob sich diesem jemand nähert fast die ganze Zeit im Blick haben. Von oben haben wir einen guten Überblick. Ein kleiner „Schützengraben“ ermöglicht, die zwei Pässe nach Kasachstan gut einzusehen ohne von diesen aus bemerkt werden zu können. Mal wieder kommt der kleine weiße Lada, der mit den drei unangenehmen Gesellen, fährt die Passstraße hinauf, dreht und wartet. Worauf? Vielleicht auf einen Drogenkurier? Keine Ahnung. Ganz sicher passt es diesen Menschen hier nicht, dass Touristen in ihrem Tal sind. Wir steigen zügig wieder ab und machen uns aus dem Staub. Eine grandiose Gegend, aber genießen konnten wir sie unter diesen Umständen nicht.

Wanderung auf einen namenlosen Gipfel 3580 Meter hoch

Die letzten Tage in Kirgisistan tröpfeln so dahin. Gestern gingen wir zu einem See,

heute zu einem Wasserfall.

Der Herbst ist da

Die Landschaft ist nach wie vor großartig, wild und gewaltig. Doch was mich angeht, ich bin gesättigt, habe viel erlebt und freue mich auf zu Hause. Georg sehnt sich schon lange danach. Sein Fazit: Zu strapaziös, zu viel Staub, zu ungemütlich im Zelt und ohne Stuhl.
Mein Fazit: Ich bin begeistert von diesem Land und seinen Naturschönheiten. Die sechs Wochen waren prall gefüllt mit Abenteuern, völlig neuen Eindrücken und unglaublich abwechslungsreich. Die Gastfreundschaft der Menschen hat mich berührt, die Weite und Stille genährt, die Gewaltigkeit der Berge manchmal überwältigt.
Ja und selten bin ich auf einer Reise so verlottert. Alles ist dreckig, staubig, die Kleider zerissen, Ausrüstung zerschlissen. Die Freuden der Zivilisation erwarten uns. Saschas Fazit, ihr müsst ihn selber fragen, aber ich vermute Hunger nach mehr: Tiefer in die Berge, höher hinauf, länger weg. Es wird Zeit, dass er auf seiner Weltreise eigene Wege geht, nicht mehr begrenzt von den Eltern, die vieles nicht mehr können und wollen.

Brotverkauf in alten kinderwagen

Die letzte Woche in Kirgisistan

Wir sind in unserer letzten Woche in Kirgisistan. Zwei Tage haben wir an dem Stausee Toktugul verbracht, dort war es heiß und wir konnten einfach mal abhängen, das hat sehr gut getan.

Der See liegt in einer wüstenähnlichen Badland- Landschaft. Tagsüber geht kein Windhauch und die Wasseroberfläche ist spiegelglatt. Zum Abend kommen Wind und Wellen.

Abendessen am Strand
Schatten ist nötig

Mal wieder polieren wir an unserem Auto Kuhschrammer von der letzten Kuhmassenpanik weg. Es tauchen 2 Schweizer auf, die sich sehr über die verrückten Deutschen wundern. Wir kommen ins Gespräch und stellen schnell gegenseitige Sympathie fest. Nach einem gemeinsamen 2. Frühstück haben wir Tipps ausgetauscht und machen schon Späße miteinander. Die beiden sind als Bergsteiger unterwegs und von daher für Sascha sehr interessant. Als wir uns verabschieden laden Sie ihn ein, in die Schweiz zu kommen und vielleicht mal eine gemeinsame Tour zu machen. Es fällt uns schwer, uns vom See loszureißen. Einfach mal fast nichts tun hat schon etwas.

Aber nach 2 Tagen wird es langweilig. Irgendwo vor dem Toktugulpass, der uns wieder zurück nach Bishkek führen wird, biegen wir eine Schotterpiste in ein Seitental ab. Sascha hat auf der Karte einen See entdeckt, wo wir hinlaufen wollen. Am Ende des Weges stehen ein paar Jurten. Gerade haben wir die Bergschuhe an als ein älterer Kirgise kommt und uns in seine Jurte einlädt. Also Schuhe wieder aus.
Gemütlich ist es in seiner Jurte, alles mit bunten Decken, sowohl an den Wänden wie auf dem Boden ausgelegt, in der Mitte ein großer noch nicht abgeräumter Fühstückstisch um den wir auf dem Boden sitzen. 3 seiner kleinen Enkelkinder sind bei ihm und bestaunen uns neugierig.

Wir bekommen mal wieder gegorene Stutenmilch, die meinen Magen 2 Tage beschäftigen wird.

Wir bekommen fleißig Kumiss, gegorene Stutenmilch eingeschenkt und er erklärt uns wie unglaublich gesund dieses Getränk sei. Seine Enkeltochter habe es sehr hübsch gemacht und gewachsen wäre sie auch. Sascha muss 2 Schalen trinken, damit er Kraft in den Bergen hat. Er ist erstaunt, dass Sascha mit seinen 18Jahren noch nicht verheiratet ist und schlägt gleich vor es doch mit seiner Enkelin zu versuchen (Sie ist etwa 5.) nur ein Spaß, er lacht selber herzhaft darüber. Er selbst zumindest trinkt niemals Tee, sondern immer nur Kumiss und als er hört dass ich nur zwei Kinder habe (Gasha du musst jetzt gerade auch als meine Tochter herhalten, das bekomme ich auf russisch nicht anders hin) meint er das liegt auch zweifelsohne an der fehlenden Stutenmilch. Und als ich dann noch mit meinem Enkelchen aufzutrumpfen versuche, meint er hätte zehn Enkel…

Kühe und Pferde gibt es in allen Musterungen, aber gepunktet wäre vielleicht eines für Pippi Langstrumpf


Nun irgendwann kommen wir dann doch los und laufen durchs Tal zu einem türkisen See. Sascha macht mal wieder einen Gipfel im Alleingang und wie immer bin ich nervös. Man verliert jemanden so schnell aus den Augen und Berge sind so groß, ich wüsste nie wo ich ihn suchen sollte, wenn mal was schief geht. Das Schweizer Pärchen hat uns ein GPS Gerät mit Satelliten Notfall Nachrichten empfohlen. Das funktioniert auch da wo Handys kein Empfang mehr haben. Ist zwar nicht ganz billig, wird er aber für die Weltreise auf jeden Fall verpasst kriegen.

Bis wir die Tour beendet haben und einen Zeltplatz suchen können, steht die Sonne schon tief, kein Wunder wenn man bedenkt wie spät wir dank des gastfreundlichen Hirten losgekommen sind. Wir finden zwar einen Platz, aber es ist kühl und ungemütlich trotz der geringen Höhe. Ein vorbeikommender Reiter erklärt mir, dass es am nächsten Tag regnen und noch kälter werden wird. Etwas missmutig blucken wir dem nächsten tag entgegen. Ich fange an, mich sehr auf zu Hause zu freuen: Ein Frühstückstisch, leckeres selbstgebackenes Baguette, ein gemütliches Bett, eine Badewanne, mein armer verdorrter Garten. Wir sind jetzt so lange unterwegs und ich habe keine Lust mehr, jeden Abend das Zelt aufzubauen in dem Auto herum zu wühlen um irgendetwas zu finden, den ganzen Staub zu ertragen.

Die Wanderung am nächsten Tag wird im Schneetreiben beendet. Es gibt zwei Tage schlechtes Wetter. Wir flüchten schleunigst aus dem Bergen und decken uns auf einem Markt mit massenweise frischem Obst ein, ein Eimer Pflaumen, ein Eimer Aprikosen, zwei Kilo Himbeeren ( für umgerechnet 2€). Unten im Tal ist es wieder heiß.

Zu spät, jetzt müssen erstmal die Schafe durch den 3 Kilometer langen Tunnel. Als nach einer dreiviertel Stunde die Durchfahrt wieder frei ist, überholen uns 6 Autos rechts und links um als erste in den Tunnel zu gelangen.

Noch ist das Wetter gut.
Schneeregen bricht die Wanderung ab.
Wieder im Tal

Wir biegen wieder in ein neues Tal ab und halten tapfer durch, die letzten Tage in Kirgisistan.

In dieser Nacht bekommen wir zum ersten Mal in Kirgisistan unerwünschten Besuch. Mindestens zwei Männer rütteln an unserem Zelt und leuchten mit einer Lampe. Mit lauten, bösen Schreien vertreiben wir sie. Keine Ahnung, was sie wollten. Vielleicht ausrauben? Vielleicht hat es damit zu tun, dass der Weg an dem wir stehen nach Kasachstan führt. Schmuggler? Vielleicht aber auch nur neugierige Leute.

Auf der Suche nach der letzten Wildnis