In Karakol haben wir uns mit Lebensmitteln eingedeckt, jetzt geht es tiefer in die Wildnis. Wir haben den Wagen so voll getankt wie nur möglich, um hoffentlich auch wieder zurückzukommen. Es geht eine 100 Kilometer lange Passstraße über einen 3800 Meter hohen Pass. Natürlich alles offroad nach Englicheck, mittlerweile einer Geisterstadt in der zu Sowietzeiten mal 2000 Menschen in einer Mine gearbeitet haben.
Das Wetter ist durchwachsen und wir scheuen uns zunächst, bei so unsicheren Bedingungen hoch in die Berge zu fahren, doch der Himmel reißt auf und wir erhaschen erste Blicke auf die hohen Gletscherberge. Also lassen wir uns weiter von der schlaglochübersäten Straße durchschütteln und holpern tiefer in die Berge hinein. Ein Schlafplatz ist schnell gefunden. Eigentlich kann man überall bleiben. Sollte doch mal ein Auto vorbeikommen, kann man davon ausgehen, dass uns begeistert zugewunken wird oder ein Reiter schaut vorbei und möchte mit uns plauschen, was wegen meiner geringen Russischkenntnisse nur sehr eingeschränkt möglich ist. Am nächsten Morgen ist es regnerisch. Da aber immer wieder die Sonne durchblitzt und es nie lange regnet, ziehen wir trotz drohender Wolken los. Wie schon bei den vorherigen beiden Wanderungen folgen wir hauptsächlich Kuhpfaden, die sich mal mehr mal weniger stark verlieren. Nachdem der erste Aufstieg geschafft ist, weitet sich die Landschaft in ein ausgedehntes, menschenleeres Hochtal. Das Wandern ist reine Freude, über Wiesen durchzogen von einem Bach in mäßiger Steigung.
Ein bitterer Wehrmutstropfen ist Saschas Fuß. Trotz mehrtägiger Pause macht er wieder Schwierigkeiten und Sascha beschließt umzukehren. Das tut mir sehr leid. Da sind wir nun im Land unserer Träume und er hat soviel geplant und sich gefreut und ist jetzt so gehandycapt.
Georg und ich wandern weiter und erreichen nach dem Aufstieg auf einen Pass zwei wunderbare von schroffen Felswänden umrahmte Seen.
Es gibt zwar immer mal wieder etwas Hagel beziehungsweise Regen aber die Landschaft ist so grandios und wir werden auch nicht völlig nass, dass das der Freude keinen Abbruch tut. Vielleicht können wir in den nächsten Tageb Pferde leihen, um Saschas Füßen die notwendige Schonung zu geben. Nachmittags fahren wir weiter den Pass hinauf und lagern wieder an einem sehr schönen Platz.
So lieblich unser Schlafplatz im abendlichen Sonnenlicht schien, so frisch und feucht ist es am morgen. Saschas Daunenschlafsack scheint hygroskopisch zu sein und die Feuchtigkeit der Umgebung in sich aufzunehmen. Georgs Schlafsack ist tendenziell eh etwas zu kalt. Nur ich bin mir meiner wasserabweisenden Daune und extrawarmen Fußteil perfekt ausgestattet. Da ich in der Mitte liege, wärme ich abwechselnd mal den einen mal den anderen.
Heute gehts über einen 3800 Meter hohen Pass. Die Landschaft wird immer rauer sowie karger und erinnert an den Pamirhighway. Oben angekommen wollen wir eine kleine Tour auf einen 4100 Meter hohen Gipfel machen. Die lächerlichen 300 Höhenmeter über steiles Geröll ziehen sich endlos. Die Höhe macht sich bemerkbar und mein Sturmschritt gleicht dem einer Schnecke. Vorbei an Schneewächten erhaschen wir Blicke auf die über 5000 Meter hohen schnee- und gletscherbedeckten Berge, die uns schon den Atem rauben. Die 7000der sind leider hinter Wolken verborgen.
Anschließend geht es den Pass abwärts nach Englicheck. Endlos fahren wir hinab, obwohl wir immer tiefer ins richtig hohe Gebirge hineinsteuern. Wir holpern durch eine tiefe, steile Schlucht mit unglaublich hohen zerklüfteten Felswänden vorbei an einem reißenden, wildschäumenden Gletscherfluss.
Ein Felssturz nach dem nächsten zeigt, wie oft dieser Weg unpassierbar ist. Meist ist die Straße nur notdürftig geflickt und gerade nur soviel Schutt beiseite geräumt, dass man gerade hindurchfahren kann. Dann kommt ein Checkpoint. Drei Soldaten und eine Schranke versperren die Weiterfahrt. Wir sind am Grenzkamm zu China, dem berüchtigten Xinyang. Hier darf nan nur mit Sondergenehmigung weiterfahren.
Die haben wir zum Glück und nach 20 Minuten sind unsere Papiere ausreichend geprüft und wir dürfen weiterfahren. Wir kommen nur langsam voran, zu faszinierend ist diese Schlucht, dass wir immer wieder anhalten, staunen und fotografieren müssen.
Der Höhepunkt liegt hinter Englicheck. An einer steilen Felswand, direkt neben dem brodelnden Gletscherfluss sprudeln heiße Quellen in 3 Badebecken. Ich liebe wilde heiße Quellen und könnte mein Leben damit verbringen sie aufzuspüren und darin zu baden. Klar, wie wir den restlichen Tag verbringen: In traumhafter Natur und völliger Einsamkeit dümpeln wir im heißen Wasser und erholen uns von den Strapazen des Viertausenders.