Von dem unliebsamen nächtlichen Besuch habe ich ja schon berichtet. Die „Straße“ auf der wir in dieses Tal hineinfuhren führte durch scheebedeckte Berge ganz nah an Kasachstan. Im Internet machten wir uns schlau, dass der Schmuggel zwischen den beiden Ländern, sehr zum Ärger von Kasachstan, blüht, worauf Kasachstan seine Grenzen komplett verrammelt hat (nun, an dieser Stelle wohl nicht) An einer Stelle haben Schmuggler Wodka mittels eines Schlauches durch einen Fluss geschleust.
Wir wissen nicht, was hier geschmuggelt wird aber die Menschen, die wir hier treffen sind anders, als wir es bisher kennengelernt haben unfreundlich, unangenehm, verwahrlost.
Unerwartet sind wir mit dem Winter konfrontiert. Der Wetterumschwung hat in den Bergen Schnee gebracht und es herrscht ein schneidend kalter Wind.
Da aber das Tal so schön und wild ist, mit Granitblöcken sowie einem reißenden Fluss und das Wetter für den nächsten Tag wieder schön gemeldet ist, beschließen wir diese hardcore Kälte durchzustehen.
Als wir unser Mittagessen im Auto (wegen der Kälte) einnehmen kommt ein Auto, es hält und 3 Männer steigen aus. Sascha und ich verlassen unseren Geländewagen ebenfalls, um die unvermeidliche Unterhaltung zu führen. Die drei sind anders als die freundlichen und an Kontakt interessierten Hirten. Einer, offensichtlich berauscht, der andere aus Pakistan oder Afghanistan (die Äußerungen dazu waren nicht ganz eindeutig) der dritte ein Jugendlicher, der mit großer Aufdringlichkeit und Begehrlichkeit in unser Auto linst. Die drei wollen alles von uns: Ob wir Geld hätten, kasachisches oder kirgisisches oder Dollar, ob wir ihnen Bier oder Wodka geben könnten, ob wir vielleicht Fotoapparate oder anderes Interessantes hätten. Sie wirken nicht gewaltbereit, aber unangenehm schmierig und wir haben den Eindruck, wenn sie unser Auto ohne uns angetroffen hätten, hätten sie es komplett leergräumt. Nachdem wir die drei nach fünfundzwanzigfachem Händeschütteln endlich losgeworden sind, beschließen wir, das Auto lieber nicht alleine in dieser Gegend stehen zu lassen und zeitversetzt zu wandern. Sascha morgens um 5 und wir dann wenn er zurück ist.
Die Nacht war eisig und am Morgen ist alles gefroren, bei bestimmt -5 Grad Außentemperatur. Zu völlig absurden Zeiten kam noch ein Auto mit Männern, die uns finster musterten. Es war eine unruhige Nacht. Sascha und ich überlegten, ob es so klug war sich hier aufzuhalten und ob es sicher sei, wenn er alleine unterwegs ist beziehungsweise alleine am Auto auf uns wartet. Georg dagegen meint, wir hätten eine zu blühende Phantasie. Ich denke eher er hat eine zu geringe Vorstellungskraft. Dieses ganze Tal ist merkwürdig, Hirten grüßen nicht, sondern sehen nur stur geradeaus, wenn sie vorüberreiten. Es gibt weder Jurten noch Frauen oder Kinder, stattdessen Reiter, die ganz offensichtlich nicht gesehen werden wollen und uns ausweichen. Sascha macht am Morgen seine Wanderung zu einem See, ist aber etwas nervös. Georg und ich besteigen einen Berg direkt vor unserem Zelt, so dass wir das Auto und ob sich diesem jemand nähert fast die ganze Zeit im Blick haben. Von oben haben wir einen guten Überblick. Ein kleiner „Schützengraben“ ermöglicht, die zwei Pässe nach Kasachstan gut einzusehen ohne von diesen aus bemerkt werden zu können. Mal wieder kommt der kleine weiße Lada, der mit den drei unangenehmen Gesellen, fährt die Passstraße hinauf, dreht und wartet. Worauf? Vielleicht auf einen Drogenkurier? Keine Ahnung. Ganz sicher passt es diesen Menschen hier nicht, dass Touristen in ihrem Tal sind. Wir steigen zügig wieder ab und machen uns aus dem Staub. Eine grandiose Gegend, aber genießen konnten wir sie unter diesen Umständen nicht.
Die letzten Tage in Kirgisistan tröpfeln so dahin. Gestern gingen wir zu einem See,
heute zu einem Wasserfall.
Die Landschaft ist nach wie vor großartig, wild und gewaltig. Doch was mich angeht, ich bin gesättigt, habe viel erlebt und freue mich auf zu Hause. Georg sehnt sich schon lange danach. Sein Fazit: Zu strapaziös, zu viel Staub, zu ungemütlich im Zelt und ohne Stuhl.
Mein Fazit: Ich bin begeistert von diesem Land und seinen Naturschönheiten. Die sechs Wochen waren prall gefüllt mit Abenteuern, völlig neuen Eindrücken und unglaublich abwechslungsreich. Die Gastfreundschaft der Menschen hat mich berührt, die Weite und Stille genährt, die Gewaltigkeit der Berge manchmal überwältigt.
Ja und selten bin ich auf einer Reise so verlottert. Alles ist dreckig, staubig, die Kleider zerissen, Ausrüstung zerschlissen. Die Freuden der Zivilisation erwarten uns. Saschas Fazit, ihr müsst ihn selber fragen, aber ich vermute Hunger nach mehr: Tiefer in die Berge, höher hinauf, länger weg. Es wird Zeit, dass er auf seiner Weltreise eigene Wege geht, nicht mehr begrenzt von den Eltern, die vieles nicht mehr können und wollen.
Liebe Glücksritter, gut, dass ihr ihr heil durch das Tal der Schmuggler gekommen seid! Vielleicht macht das ja den Abschied leichter…?
Ich hoffe, ihr habt keinen Lufthansa-Flug? Die streiken nämlich morgen. Also, hoffentlich einen reibungslosen, guten Flug nach Hause!
Übrigens: Ich bewundere Saschas Planungskompetenzen mitten in der Walachei (Verzeihung! ;-)) – ob er wohl mal einen kleine Einführung in diese Kunst der Orientierung geben könnte? Ich bin gestern im Harz unterwegs gewesen und ohne Dodo an meiner Seite wäre ich wohl einfach irgendwo verloren gegangen…
So, don’t get lost yourself! 🙂
Liebe Grüße
Martina