Letzte Klimmzüge in Kirgisistan

Wenn, wie ihr schreibt, für euch unser Wildnistrip in Kirgisistan wie ein Krimi wirkt, will ich euch die letzten zwei Tage nicht vorenthalten. Letztes Ziel war ein Tal in der fast 5000 Meter hohen Ala Archa Region etwa eine Stunde Autofahrt südlich von Bishkek.

Es ist Herbst geworden. Das heißt kalter Wind, kühle Abende und kalte oft auch frostige Nächte. Am Talschluss sind die meisten Jurten für den Winter abgeräumt.

Doch weil die Kirgisen am 31.8. ihre Unabhängigkeit feiern, gibt es einiges an Tourismus. Meine Sehnsucht nach einem Hotel ist vergeblich angesichts der Preise. 169 € pro Nacht ist mir die warme Dusche dann doch nicht wert.

Sascha ist angetan vom Schlafplatz, einer lehmigen ehemaligen Stellfläche einer Jurte: “ In den Alpen könnte man nirgendwo mit dieser Aussicht so zelten.“ Georg schimpft: “ Trostlos, überall Viehscheiße und Dreck!“ Ich schluchze nur: „Badewanne“ und ziehe mir seufzend lange Unterhose, zerissene Qutdoorhose und Mütze an.

Meine Versuche mit einem verbliebenen Hirten ins Gespräch zu kommen, um 3 Pferde zu leihen und am nächsten Tag zu reiten, bleiben ergebnislos. Er hat nur ein Pferd, dass würde er mir auch leihen. Aber zu dritt auf einem Pferd… lassen wir mal lieber.

Sascha überzeugt uns früh aufzustehen, um die 1600 Höhenmeter, von denen er sich eine phantastische Aussicht auf die ganz hohen Berge verspricht, zu schaffen. Wir einigen uns auf 6:00 Uhr (seufz).

Die Nacht ist wie erwartet kühl. Für einen Tee ist es zu windig. Ich träume von einer Badewanne (seufz).

Sascha hat einen Weg durch ein kleines Tal ausgekundschaftet. Von dort wollen wir den Aufstieg auf den 3400 Meter hohen Berg starten. Anfangs gibt es einen guten Weg, doch bald wandelt sich dieser zu einem schmaler und dünner wedenden Pfad. Das dornige Gestrüpp wird stetig dichter und dichter. Andauernd müssen wir den Bach queren, um weiter zu kommen. Das Tal wird schließlich so steil und eng, dass klar wird: Hier ist kein Durchkommen mehr. Mittlerweile ist auch der Rest eines Pfades zur Gänze verschwunden.

Zurück wollen wir auch nicht, so versuchen wir, irgendwie an den steilen Seitenwänden hoch auf den Bergrücken zu gelangen, in der Hoffnung dass es dort wegsamer sei. Erst klettern wir über ein Blockfeld und dann hinein ins Gestrüpp. Was für Sascha mit links geht und für mich ein kleines Ärgernis ist, ist für Georg fast unüberwindlich. Immerhin ist sein Oberschenkelhalsbruch noch kein Jahr her. Sich unter Dornengestrüpp über Baumstämme in steilem Terrain fortzubewegen, ist für ihn eine kräftezehrende Tortur, was er uns auch mit jedem Schritt wissen lässt. Aber ähnlich wie wenn man plötzlich mit dem Auto auf einer schwierigen Offroadstrecke gelandet ist und nicht wenden kann; hier gibt’s nur weiter. Irgendwie durch, denn zurück geht für Georg gar nicht mehr. Zu steil.

Irgenwann haben wir die schweißtreibende Arbeit geschafft und sind auf dem Bergrücken.

Kein Vieh hat die Vegetation kahl gefressen und der Weiterweg ist einfacher durch wunderschöne bunte herbstfarbene Vegetation. An einem Pass lassen wir Sascha mal wieder alleine ziehen. Georg ist vom unwegsamen Aufstieg zu sehr geschafft. Ich leiste ihm Gesellschaft. Oft auf dieser Reise hat uns der Spagat zwischen einem 18 jährigen Abenteurer und einem 69 jährigen Exoperierten herausgefordert. Wir verpassen also den Blick auf die Eiswände, von denen uns Sascha später vorschwärmt.

letzter Schlafplatz

Doch am letzten Tag gelingt uns noch eine gemütliche Familientour, mit für uns angemessenen 400 Höhenmetern auf einen nur 2300 Meter hohen Berg. Mit Aussicht auf die Gletscherberge in der Ferne. Zurück in Bishkek lassen wir noch unser Auto waschen. Für 5,50€ wienern 3 Leute se von innen und außen. Georg fühlt sich an seine Kindheit erinnert, wo er am Wochenende als Sohn eines Tankstellenbesitzers 20 – 30 Autos herausputzen musste. Er stellt anerkennend fest, dass die Autowäscher ihre Arbeit gut machen. Einer der Wäscher erzählt, dass er eigentlich einen Doktor hat, damit aber keinen Job bekommen hat… Ein wenig nervös sind wir schon bei der Rückgabe des Leihwagens, denn ein paar Kuhkratzer sieht man nach der Wäsche wieder. Doch trotz Flutlichtanlage in der Tiefgarage gibt es noch keine Beanstandungen.

Die Dusche im Hotel ist herrlich. Danach wandern wir noch über den Oshbazar. Die orientalischen Bazare sind immer einen Ausflug wert. Es gibt unglaublich viel zu sehen. Nur beim Kaufen müssen wir uns zurück halten, weil unser Gepäck aus allen Nähten platzt. Kurzzeitig verirren wir uns in ein sehr traditionelles Lokal. Aber da mal wieder die Speisekarte nicht lesbar ist und keiner ein Wort englisch kann, sitzen wir etwas ratlos da. Als es dann nichtmals eine Cola zu trinken gibt, sondern nur selbstabgefülltes, warmes, etwas trübes Wasser, das in alten Flaschen auf dem Tisch steht, nehmen wir reißaus. Lieber nicht soo traditionell. Trotz Feiertag gelingt es uns durch das Abklappern einer ganzen Reihe von Lokalen in dieser Millionenstadt irgendwann eines zu finden, das geöffnet hat.

Der Taxifahrer am Morgen um 4 Uhr rast mit 130km/h zum Flughafen, unangeschnallt natürlich. Leider gibt es auch keine funktionierenden Anschnallgurte für Georg und mich. Wäre doch blöd, wenn Sascha jetzt noch Waise würde. Der Blinker unseres Taxifahrers funktioniert auch nicht, weswegen er mit seiner Warnblinkanlage fährt, worauf jemand neben ihm braust, ihm bedeutet das Fenster runterzukurbeln um ihn darauf hinzuweisen, was unser Fahrer aber mit einem Grunzen und noch mehr Gas geben, das in einem kleinen Autorennen endet, ignoriert.

Nach fünfmaligen Gepäckdurchleuchten und Abgetastetwerden sitzen wir im Flieger. Sascha freut sich schon aufs kommende Jahr, wenn er auf seiner Weltreise Kirgisistan nochmals bereisen wird. Georg ist froh mit mir deutlich gemütlicheren Urlaub zu machen (oder doch erstmal zu Hause zu bleiben). Ich fand es ein tolles Abenteuer und freue mich auf meine Badewanne 😀

Nächstes Jahr werden wir an dieser Stelle Saschas Reiseberichte finden, der sich dann alleine aufmacht, die Welt zu entdecken und uns hoffentlich auf dem Laufenden hält.

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